Es tropft für unsere Genesung
Brauns isotone Kochsalzlösung.
In vorgeschriebener Fördermenge
Per Plastikschlauch begrenzter Länge
Und rinnt vom Hirne bis zum Darm,
durchs Venenloch, im Unterarm.
Der Tropfpatient prüft in der Regel,
voll Hoffnung seinen Flaschenpegel:
Ob da schon sich die Ebbe zeigt
und sich der Tropf zum Ende neigt?
Er schaut und liest, doch ach, was sieht er?
Noch neun mal hundert Milliliter!
Und die Erkenntnis bleibt ihm nur:
Geduld ist Krankenhauskultur.
Doch während er das überlegt,
hat der Patient die Hand bewegt,
so dass der Schlauch sich knickt und klemmt
und das Getropfe gänzlich hemmt.
Der Apparat, der dies verspürt,
hat laut durch Piepen reagiert,
bis der Patient zutiefst erschreckt,
den Schaden schließlich selbst entdeckt.
Schon ist die Störung abgestellt,
weil er die Hand jetzt richtig hält.
Da hängt er nun bis Samstag früh,
am Tropf der Chemotherapie.
Und abgestöpselt tritt er dann,
den Heimweg in die Freiheit an.
Von Jörg Müller